Gantrisch statt Himalaya: 14 Zweitausender statt 14 Achttausender
Titelbild: Der Widdergalm, ein stolzer, wenig begangener Gipfel.
Text und Bilder: Ruedi Horber
Die 14 Achttausender der Welt schaffen nur die Wenigsten. Neben einer Superkondition braucht es eine Menge Geld und viel Zeit. Es geht aber auch wesentlich bescheidener: Warum nicht die 14 Zweitausender-Wandergipfel im Gantrischgebiet besteigen, sei es als anspruchsvolle Wanderung in zwei bis drei Tagen oder auf die Schnelle als Trailrun? Oder nur Teilstücke der ganzen Route begehen? Etwas Aben- teuer vor den Toren Berns und Thuns ist auf jeden Fall garantiert.
Die Idee und die Routenwahl
Die Inspiration für diese Tour holte ich mir im wilden und wunderschönen Massif des Bauges in Frankreich südlich von Annecy. Die Region macht mit ihren 14 Zweitausendern erfolgreich Werbung bei Bergbegeisterten. Der Rekord für die Besteigung aller Bauges- Gipfel liegt bei unglaublichen 14 Stunden 26 Minuten (im Sommer 2020 von Aurélien Dunand-Pallaz für 82 km und 8800 Höhenmeter). Im Gantrischgebiet lässt sich eine ähnliche Tour leichter umsetzen, da die Distanzen kürzer und die Gipfel (ausser der Nünene) technisch weniger anspruchsvoll sind: fast immer im Bereich T2–T3, meist rot-weiss markierte Wege oder Wegspuren. Die Route führt über 60 km und 6000 Höhenmeter vom Schwarzsee zum Stockhorn und umfasst die 14 bekanntesten Gipfel. Die Auswahl erscheint auf den ersten Blick vielleicht etwas zufällig, zumal der Schibespitz (nur ein Nebengipfel), die Nünene (viel zu schwierig) und die Chrummfadeflue (zu abgelegen) nicht berücksichtigt sind. Die 14 ausgewählten Gipfel sind aber letztlich nachvollziehbar und stimmig.
Die 14 Zweitausender von Westen nach Osten
Ambitionierte Trailrunner:innen könnten die Tour an einem Tag bewältigen, in normalem Wandertempo benötigt man zwei bis drei Tage. Übernachtungsmöglichkeiten gibt es unter anderem im gediegenen Hirschen Sangernboden oder in der Unteren Gantrischhütte. Letzten Sommer habe ich selbst die Tour in drei Teilen absolviert, ein unvergessliches Erlebnis mit vielen Höhenmetern und meist einsamen Wegen. Vorsicht ist jedoch bei Kuhherden mit Schutzhunden geboten – Erkundigungen im Voraus sind ratsam. Es besteht immer wieder die Möglichkeit, die Tour abzubrechen und zur Gurnigelpassstrasse zu wandern, auf der eine Postautolinie verkehrt. Die Route kann auch in umgekehrter Richtung absolviert werden, beginnend am Stockhorn samt «geschenktem» erstem Gipfel, jedoch langem Abstieg von der Kaiseregg zum Schwarzsee.
Die Route mit den 14 Gipfeln
Schwarzsee – Kaiseregg 2185 m – Vordere Walop – Widdergalm 2174 m – Chüeharnisch – Schafharnisch 2107 m – Chänelpass – Märe 2087 m – direkt auf Grat – Schibe 2151 m – Alp Homad – Galitepass – Grencheberg – Grenchegalm – Widdersgrind 2104 m – Grenchegalm – Alpligemäre Westgipfel 2044 m – Frilismad – Ochse 2188m – Schwefelbergbad – Untere Gantrischhütte – Bürglegrat – Bürgle 2165 m – Gemsflue 2154 m – Morgetenpass – Gantrisch 2175 m – Leiterepass – Homad 2076 m – Möntschelespitz 2021 m – Oberi Walalp – Stockhorn 2190 m
Mögliche Unterteilung der Tour
- Schwarzsee bis und mit Schafharnisch, dann Abstieg nach Sangernboden
- Sangernboden bis Untere Gantrischhütte
- Untere Gantrischhütte bis Stockhorn
Die gemütliche Variante
Wer es ruhiger nehmen will, nimmt den kürzesten Weg vom Schwarzsee zum Stockhorn, ohne Gipfel. Diese schöne voralpine Route ist 31 km lang, technisch einfach (meist T2), mit rund 2300 m im Aufstieg und 1600 m im Abstieg. Der Zeitbedarf in normalem Tempo beträgt etwa zwölf Stunden. Diese Tour ist in zwei Tagen gut zu bewältigen, mit Einkehr im gemütlichen Gantrischli am ersten Tag. Vom Schwarzsee zum Stockhorn ist die Route attraktiver als umgekehrt: Sicht auf die Alpen, keine langen Abstiege, das Stockhorn als krönender Abschluss.