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Die JO wird 100

Das grosse Jubiläumsspecial – Teil 2: Geschichte und Geschichten: Erinnerungen eines JOlers

Einstieg ins Bergsteigen – das waren noch Zeiten!

Vor 50 Jahren tritt ein Jüngling, 14 Jahre alt, im ersten Stock der Brunngasse 36 durch die Tür ins Clublokal des SAC Bern. Es ist ein Eintritt in eine neue Welt. Ältere Herren stehen an der Theke zur Bibliothek. Im Raum nebenan sitzt man zusammen und bespricht mit Karte und Führer die Tour für das nächste Wochenende. Wo sind denn die Jungen? Durch den engen Gang am Wandtelefon vorbei rechts um die Ecke, dort ist das JO Stübli. Herzlich wird man als neues Mitglied begrüsst und im Kreis der Anwesenden aufgenommen. Es wird gerade der Kletterkurs am Arête du Raimeux besprochen.

An eben diesem Ort lerne ich ein Gstältli aus Reepschnur anfertigen, Achter- und Führerknoten, Mastwurf, Brusik und Halbmastwurf. Die ersten Klettermeter steigen wir über die Kalkplatten mit ihren grossen Dellen (Fussabdrücke von Dinos). Über Aufschwünge geht es auf dem Grat weiter bis zum Canapé. Dort wird im Dülfersitz abgeseilt. Flanellhemd und Hosen aus gutem Tuch verhindern dabei ein Scheuern an Hals und Schritt durch das Seil. Das erste, Mal über einen Überhang abseilen war eine echte Herausforderung.

Nach diesem ersten JO-Anlass war für mich Klar, da werde ich weiterhin mitmachen. Es war mir und meinem Schulkollegen auch klar, dass unsere ersten Kletterversuche mit dem Hanf-Wäscheseil  an der Plattform in Bern bei einem Sturz in einem Desaster geendet hätten. Übrigens haben wir uns damals aus Büchern von Tita Piaz und Hans Dülfer gewisse Techniken angeeignet. Felshaken und einfache Stahlkarabiner haben wir von Willi Uttendoppler erhalten, SAC-Mitglied und Mitglied von Expeditionen im Kaukasus und den Anden. Er wohnte in unserer Nachbarschaft und hatte Freude an unserem Treiben.

Nach und nach mit bester Betreuung seitens der Leiter:innen sind wir unterwegs in den Klettergärten des Berner- und Solothurner Juras. Geklettert wurde mit festen Bergschuhen, gesichert an Schlaghaken, Holzkeilen und Seilschlingen. Kletterfinken, Bohrhaken, Express und Sicherungsgeräte gab es noch nicht. Auch das Artif-Klettern (Einsatz von Strickleitern) haben wir gelernt, Kräftezehrend und auch Materialintensiv.

Im Susten-Grimsel-Furka Gebiet, Göscheneralp oder in den Engelhörnern trifft man die JO-Bern beim Klettern an. Am Stockhorn beim Klettern in der Tschaboldroute, gerieten wir in ein heftiges Gewitter. Der Leiter blieb Cool, nahm seinen Schirm aus dem Rucksack und meinte nur: Das ist bald vorbei. Beim weiterklettern war der liegen gebliebene Graupel hilfreich, er lag genau dort wo sich Tritte und Griffe befanden.

In Tourenwochen im Bächlital oder Gelmergebiet lernten wir das Begehen von Gletschern, Gratklettern und vieles mehr. Das Essen wurde in die Hütten getragen oder in Ausnahmefällen per Armeehelikopter zur Hütte geflogen. Gekocht wurde selber oder durch den Hüttenwart. Holz war der Energieträger und für Licht sorgten die Petrollampen. Manchmal wünsche ich mir diese Zeit zurück da in den Hütten praktisch nur Bergsteiger waren. Am Abend wurde zusammen gesungen oder den Erzählungen der Leiter und Bergführer gelauscht.
Eiskurse auf dem Oberen Grindelwaldgletscher, den man über Holzstufen vom Chalet Milchbach her erreichte, waren ein Highlight. Da wurden Stufen geschlagen, mit Steigeisen ein Parcour absolviert und mit einfachen Flaschenzügen, Personen aus den Spalten gerettet. Wenn wir heute auf der Karte den Ort anschauen, wo diese Kurse stattgefunden haben, sehen wir, dass der Gletscher nicht mehr vorhanden ist. Übrigens: An solchen Kursen waren manchmal bis zu 30 Teilnehmende!

Skitouren

Nebst dem Bergsteigen war da noch der Einstieg ins Skitourengehen. Anfangs mit Kabelbindung, Holzskis, Seehundfelle zum Anschnallen und Lederskischuhen. Der erste Aufstieg durch den Gandgraben zur Rinderalphütte, das war ein Krampf. Zurückrutschen, aufrappeln, Skier wieder anziehen und weiter gehts. Oben angekommen, welch ein Glücksgefühl. Die Hütte einfach eingerichtet, mit herrlicher Aussicht zum Thunersee und bis ins Sustengebiet. Am Abendberg hat so mancher das Tiefschneefahren gelernt. Rauf und runter und wieder rauf bis alles verspurt war. Damals gab es auch noch JO-Skikurse an der Grimmialp oder auf Sannenmöser.
Es folgen Touren im ganzen Diemtigtal, Wildstrubelgebiet, Rosenlaui, Susten usw. Es gibt Highlights wie die Tour aufs Wetterhorn. Start von der Brochhütte um Mitternacht, angeseilt über den Rosenlauigletscher bei Mondlicht, und Gipfelbesteigung bei bestem Wetter. Die Abfahrt ins Rosenlaui «äs Tröimli»!

Die Ausrüstung wird immer besser. Neben der Marker-Rotomat-Bindung gibt es die ersten Plattenbindungen wie Vinersa-, Iser- und Gertschbindungen.
In den letzten Jahren wird der Markt geradezu überschwemmt mit neuen Bindungen, Klebefellen, Lawinenverschütteten Suchgeräte, Schaufeln und Lawinensonden. Auch Skier gibt es in jeder Form und Farbe, und das Snowboard hält Einzug auf den JO-Touren. Lawinenkurse, Tagestouren und Tourenwochen im Berner Oberland, Wallis, Graubünden und Glarnerland sind fester Bestandteil des JO-Programms. Gut Ausgebildete JO-Leiter:innen und Bergführer sind ein Garant für die sichere Durchführung der Touren. Dank Ihnen ist die JO seit Jahren Unfallfrei unterwegs.

Eine neue Ära beim Klettern beginnt!

Werner Munter, erhitzt die Gemüter mit seinen Ideen für dynamisches Sichern beim Klettern im Fels und Eis. Zweipunktesicherung am Standplatz, Sichern mit der Munterbremse die auch als Abseilgerät eingesetzt werden kann. Dynamisches Sichern mit dem Munter Hitch (Halbmastwurf).
Das Gesagte nehmen wir auf wie ein Schwamm. Unsere Leiter:innen und Bergführer instruierten die neusten Erkenntnisse in den jeweiligen Kursen. Hier muss noch gesagt sein, dass in Bergsteigerkreisen damals einige sehr skeptisch waren gegenüber diesen Neuerungen. Lange Bärte vertrugen sich nicht mit der Munterbremse beim Abseilen! Es gab Leiter die mussten mit beherztem Messerschnitt Ihre Gesichtsbehaarung Abschneiden.
Schon bald kommen die ersten Klettercracks zurück aus den USA und bringen Kletterfinken, allerlei Hilfsmittel und ihre Erfahrungen mit. Grundbewegungen werden eingeübt und siehe da, was noch vor Jahren als nicht Kletterbar eingestuft wurde gelang! Der Sechste Schwierigkeitsgrad war plötzlich nicht mehr der Schwierigste! Das heisst, schon früher wurde über dem sechsten Grad geklettert. Man spricht von Bouldern (an diversen Strukturen Klettern ohne Seil in Absprunghöhe) und praktiziert dies zuerst an Findlingen rund um Bern oder im Lindental an Sandsteinfelsen. Bärn-Bouldern von Dr. Bäri und Dr. Bomb in ihren Boulderführern festgehalten ist ein Bestandteil des JO-Programms. Mit dem Bau der Kletterwand aus Beton im Gymer-Neufeld und später der Kletterhallen Magnet in Niederwangen und O’Bloc in Ostermundigen hält das Indoor-Klettern Einzug. Kletterkurse in diesen Hallen werden bis heute im JO-Programm angeboten und sind sehr beliebt.    

Kletterte man früher über Pfingsten in Bellinzona im Klettergarten, so sind heute eine Vielzahl von Klettergebieten im Tessin, Wallis oder Berner Oberland Ziel der JO Outdoor-Aktivitäten. Seit Jugend und Sport auch Kurse im Ausland subventioniert wurde der Aktionsradius über die Landesgrenzen hinaus erweitert. Klettern und Bouldern in Frankreich und Italien ist sehr beliebt. Mit den Begriffen Free-, Plaisier- und Trad-Klettern, von Einfach- über Topausgerüstete Routen lernt man heute wieder Klettern mit mobilen Absicherungen. So wie wir dies in jungen Jahren gemacht haben.

Hochtouren und Alpinklettern

Auf Hochtouren im ganzen Schweizer Alpenraum gelingen den JOler:innen diverse schöne Besteigungen von 3000 und 4000er. Finsteraarhorn, Schreckhorn, Lauteraarhorn von der Lauteraarhütte, Mönch und Jungfrau von der Bärglihütte, Aletschhorn vom Mittelaletschbiwak und Bietschhorn von der Baltschiederklause. Fletsch-und Lagginhorn, Überschreitung des Nordgrat aufs Weissmies, von der Trienthütte auf die Aiguille Chardonnet. Viele Alpinklettereien, wie Diamantstock, Hiendertälistock, Brandlamm, Hienderstock, Kleines Wellhorn oder im Orny-Gebiet
Aig. Dorées, Grand Fourche, Aig. Purtscheller, Aig du Tour, Aig d’Arpette. Das Bergell mit seinen wunderbaren Klettereien sind immer wieder das Ziel der JO. Hier gehört sicher die Besteigung des Spazzacaldeira (La Fiamma) zu den Highlights.

Veränderung

Durch den Klimawandel werden einige Touren schwieriger oder sind nicht mehr begehbar. Die Gletscher und der Permafrost sind im Rückzug, Felsstürze und Hochwasser-Ereignisse zeigen auf das etwas im Gange ist das wir nicht Aufhalten können. Jede Generation wird sich mit den Veränderungen auseinandersetzen müssen. Unsere Leiter:innen sind sich dem bewusst und organisieren Touren die diesen Umständen Rechnung tragen.

Beständiges und Wandel

Die Rinderalphütte, verwaltet durch die JO, ist ein Ort abseits des grossen Rummels geblieben. Klettern am Abendberg oder Pfaffen, Skitürelen oder ganz einfach Chillen ist hier die Devise.
Lawinenkurse, einfache und mehrtägige Skitouren werden genauso wie Einführungskurse für Hochtouren, Hochtouren- und Alpinkletterwochen und Kletterwochen von kompetenten motivierten Leitenden Angeboten. Klettern In- und Outdoor ist seit je her das Sportfach das Begeistert.

Die Jugendorganisation mit ihren JO-Leiter:innen und Bergführer, hat in ihrer 100-jährigen Geschichte jungen Menschen ermöglicht die Faszination des Bergsteigens mit allen ihren Fassetten kennenzulernen.
Für manches JO-Mitglied war es Lebensschule und Neuausrichtung. Einige haben die J+S Leiterkurse besucht andere haben die Ausbildung zum Bergführer absolviert und ihr Wissen an die neuen Generationen der JOler:innen weitergegeben.
Mit aufkommen des Computers und den Mobiltelefonen hat sich auch die Kommunikation verändert.

Haben wir uns früher im JO Stübli getroffen (gibt es leider nicht mehr!) so ist das Anmeldeprozedere heute ein anderes. Mann meldet sich auf elektronischem Weg an für eine Tour und sieht sich erst am vereinbarten Ort zum ersten Mal. Wer weiss, vielleicht trifft man sich in Zukunft wieder in einem JO- Stübli, an dem Ort, wo meine Bergsteiger-Geschichte vor 50 Jahren begann.
 

Fred Wirth, Bergführer und J+S Experte der JO-Bern
Fotos: Fred Wirth, Simon Stoll, und Unbekannt.

/ | 1 Kommentar zu Die JO wird 100

Ein Kommentar “Die JO wird 100”

  • Schafer Marcel

    says:

    Ich möchte da noch Ergänzungen machen von JO Touren
    Von der Rothornhütte über die Wellenkupe zum Obergabelhorn und zurück. Am nächsten Tag auf das Zinalrothorn.
    Überschreitung Lenzspitz Nadelhorn
    Überschreitung Gelmerhörner
    Klettereien in den Engelhörner.
    Usw.
    Dass war einmalig, dass die JO zweimal ins Ausland nach Korsika ging.
    Dies dürfte im Bericht nicht unterschlagen werden.

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