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Rauf aus dem Regen …

Hochtour auf den Balfrin (3796 m) und das Gross Bigerhorn (3625 m) am 28./29. Juni 2022

Nach diesem Motto entschieden wir uns trotz angekündigtem Regen am Nachmittag des ersten Tages, die Hochtour auf den Balfrin in Angriff zu nehmen. Denn für den zweiten Tag, den Gipfeltag, war das Wetter gut angesagt. Und rückblickend war der Entscheid genau richtig!

Feucht fröhlicher Auftakt
Aus der Stadt (Bern) gings zunächst rauf – ins Mattertal bis Gasenried (1660 m) hoch über St. Niklaus – mit Zug und Postauto. Noch trocken, traten wir den Aufstieg zur Bordierhütte (2887 m) an. Zunächst ging es durch lichten Bergföhren-Lärchen-Wald, wo wir immer wieder an Suonen vorbeikamen, jenen Bewässerungskanälen, die im trockenen Wallis eine lange Tradition in der Landwirtschaft haben und die Kulturlandschaft bereichern. Nahe der Waldgrenze erreichten wir die unteren Enden der mächtigen Seitenmoränen des Riedgletschers. Sie zeigten uns eindrücklich den Gletscherstand von 1850 («kleine Eiszeit»). Hinter der westlichen Seitenmoräne gelangten wir bald zur Alp «Alpja», bei der die wuscheligen Schwarznasenschafe Schutz vor dem einsetzenden Regen suchten.

Dieser wurde langsam intensiver, während wir im steilen Schutt einige 100 Hm aufstiegen. Dass wir etwas oberhalb von 2700 m den Riedgletscher betraten, war zunächst nur am flacheren Gelände zu erkennen – der Schutt zog sich noch weit auf den Gletscher. Als dann das Eis an die Oberfläche trat, zogen wir die Steigeisen an und hüpften über einige Bäche, die sich über den Gletscher ergossen. Beim Schuttsaum auf der anderen Seite des Gletschers angekommen, zogen wir die Steigeisen wieder ab – jedoch etwas zu früh, denn an einigen Stellen rutschten wir samt dem Schutt auf dem Blankeis darunter ab. Jenseits des Gletschers halfen zahlreiche Seile und einige Leitern beim letzten Stück zur Hütte. Dort kamen wir ziemlich durchnässt an und wurden vom netten Hüttenteam gleich warm empfangen: die Hüttenwirtin hat eingeheizt und wir durften unsere nassen Sachen zum Trocknen über den Ofen hängen, was wohl nur wochentags bei wenig Leuten möglich ist.

Nachdem wir uns aufgewärmt und etwas ausgeruht hatten, repetierten wir die Seilhandhabung und besprachen den Zeitplan für die morgige Tour. Der feine zNacht stärkte und wärmte uns zusätzlich zum Feuer, über bzw. an dem wir unsere Sachen immer wieder wendeten, umhängten und wechselten. Die Schuhe wurden mit Zeitungspapier ausgestopft und konnten über Nacht trocknen.

Ganz in Weiss
Am nächsten Tag ging’s um 5 Uhr nach einem ausgiebigen zMorgen los. Dann war es dank der Jahreszeit schon so hell, dass wir die Stirnlampen gar nicht mehr benötigten. Auf ca. 3200 m betraten wir den Gletscher und seilten an: 2 3er-Seilschaften am langen Seil. Plötzlich gab der Balfrin einige markante Warnschüsse ab – aus seiner Westflanke löste sich Steinschlag! Die Rotation der gewaltigen Blöcke in der Luft und die anschliessende Rutschpartie auf dem Schnee schien uns wie in Zeitlupe, doch das lag wohl an der gebührenden Entfernung, die wir zum Glück hatten.

Die Niederschläge vom Vortag fielen oberhalb ca. 3000 m als Schnee. So waren die Spalten durch den Neuschnee wenig sichtbar und ausserdem kaum mit Altschnee verfüllt, da der vorige Winter schneearm war. So brachen wir immer wieder durch die dünnen Schneebrücken in Spalten ein, zum Glück aber nur bis max. zur Hüfte. Thomas hatte es als erster dabei besonders mühsam, aber er wühlte sich tapfer durch das Spaltenlabyrinth. Während wir beim Aufstieg über den Gletscher noch im Schatten gingen, präsentierte sich uns der rassige, strahlend weisse Nadelgrat im vollen Sonnenlicht unter einem tiefblauen Himmel. Im Banne dieses erhabenen Anblicks erreichten wir bald den Riedpass (3552 m). Hier lösten wir uns vom Seil, behielten aber die Steigeisen an, um besseren Halt auf dem nun folgenden, verschneiten Balfrin-S-Grat zu haben. Über diesen erreichten wir den Balfrin-Gipfel (3796 m) um ca. 09:45 Uhr, d.h. nur 45 min später als geplant. Wir genossen den prächtigen Rundumblick auf zahlreiche Drei- und Viertausender, stärkten uns und liessen die aufwärtsstrebenden Wolken (noch) unter uns. Den folgenden Grat zum Gross Bigerhorn (3625 m) gingen wir in 2er-Seilschaften, wobei der zerklüftete Gneiss- und Schiefer-Fels viele Möglichkeiten bot, das Seil zur Sicherung über Felsköpfe oder durch Risse zu legen. Dabei eröffneten sich uns grossartige Tiefblicke – nach SW auf den Riedgletscher, nach NE auf den Balfringletscher. Aufgrund des Neuschnees brauchten wir auf diesem Grat viel länger als geplant und kamen erst kurz vor 13 Uhr auf dem Gross Bigerhorn an. So mussten wir unserem Zeitplan adieu sagen, was uns aber nicht weiter bekümmerte. Vielmehr freuten wir uns über den zweiten erklommenen Gipfel! Nach einer kurzen Stärkung traten wir den Abstieg über den W-Grat des Gross Bigerhorns zur Bordierhütte an. Dieser führte uns zunächst über steilen, verschneiten Schutt und erforderte daher besondere Konzentration. Weiter unten konnten wir in griffigem Blockschutt locker zur Hütte «traben».

Salz & Grape Fruit
Dort erwarteten uns mehrere Steinböcke – jung und alt, die teils grasten, aber v.a. die wohl salzigen Felsblöcke ableckten. Das Salz war offensichtlich so attraktiv, dass das Klettern auch im steilen Fels selbst für das jüngste Tier eine absolute Nebensache war.

Nun konnten wir alles ablegen, vorübergehend auch die Schuhe – eine wahre Wohltat! Wir gönnten uns alle eine feine Fruchtwähe und erfrischten uns mit dem kultigen «Pamplemousse»-Sirup, dessen Ursprung auf das Jahr 1889 zurückgeht! Nachdem wir uns von den zwei netten Hüttenwartinnen verabschiedeten hatten, begaben wir uns auf den Abstieg ins Tal. Aufgrund der müden Glieder verfielen wir nicht in überflüssigen Stress, zumal es eh keine günstige ÖV-Verbindung mehr gab, die es anzupeilen sich gelohnt hätte. Beim Abstieg bestand ein wichtiges Ziel v.a. darin: Höhenmeter «vernichten». Neben zahlreichen, teils gekippten Gletschertischen des Riedgletschers, seinen scharfen Seitenmoränen und vielen anderen Sehenswürdigkeiten begegneten wir beim Abstieg auch wieder den friedlich grasenden Schwarznasenschafen. Unterhalb der Seitenmoräne auf ca. 2050 m wählten wir zur Abwechselung gegenüber dem Aufstieg die Route südwestlich des Riedbachs durch die «Teifi Tolu». Kurz vor Gasenried konnten wir noch an einem Brunnen Wasser auffüllen und bald darauf ins Ruftaxi steigen, das uns komfortablerweise bis zum Bahnhof Visp brachte. Und zwar so rechtzeitig, dass wir noch im COOP für die Zugfahrt einkaufen konnten. Wie die Steinböcke hatten wir v.a. das Bedürfnis nach etwas Salzigem. Dann galt es noch zu klären, wer wem mit welchem Zahlungsmittel welche Auslagen rückerstatten musste, wofür es mittlerweile wohl auch eine App gibt. Danach blieb gerade noch Zeit für eine Rückmeldungsrunde: alle fühlten sich sehr wohl, haben die Hochtour genossen und waren froh, dass wir «rauf aus dem Regen» gestiegen sind!

Tourenleiter: Thomas Jaggy
Teilnehmende: Daniel Schneider, Christoph Burri, Monika Nowiszewska, Piotr Szczesnowicz, Armin Senn
Tourenbericht: Armin Senn
Fotos: Armin Senn

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