24. – 30. Sept. 2006 Kletterlager Les Alpilles
Archivbericht
Ein Kletterlager in der Provence, mmhh, das suggeriert Olivenhaine, knusprige Baguettes, zart schmelzender Weichkäse und weitere herrlich erdig trockene Lokalerzeugnisse mit leichtem Waldbeerabgang, kombiniert mit viel Sonne und griffigen Felsbändern. Doch, lieber Leser, dieses Klischee ist weit gefehlt. Die wagemutige JO Truppe, verstärkt mit einigem rostigen Alteisen und offensichtlichem JO Frischfleisch, stürzte sich vom 24.09. bis am 30.09.2006 in ein unvergessliches Abenteuer.
Bereits die Fahrt wurde zur Geduldsprobe für alle Beteiligten. Die grösste Freude bekundete die zwischen Gepäckstücken, im sich Minibus schimpfenden, lahmmotorigen blauen Wrack auf Rädern, eingeklemmte Klettercrew. Der Hilferuf des Fahrers an seine Kopiloten, ihn zwecks Abwehr der drohenden Müdigkeit in ein angeregtes Gespräch zu verwickeln, war in die richtigen Ohren gelegt. Neben ihm sassen die zwei wohl grössten JO-Grossmäuler; die sich mit blitzartiger Hingabe der Aufgabe widmeten und sie innert Sekundenfrist zu meistern wussten. An die Adresse der „Helden“: Reden ist zwar Silber, Schweigen wäre jedoch die goldrichtige Abzweigung nach Marseille gewesen!
Doch für nichts gibt es bekanntlich auch nichts. Die Extrakilometer wurden durch Extrawetter abgegolten. Kurz, um das in Tourenberichten allgegenwärtige Thema abzuhacken: Regen bei der Hinfahrt, Regen bei der Rückfahrt, dazwischen ausschliesslich Sonnenschein.
Soviel petrus’sche Almosen sorgten für konstant gute Stimmung und trockenen Fels, waren aber nicht Garant für herausragende Kletterleistungen. Einige Teilnehmer liessen sich in gewohnter Manier zu ausgedehnten Zwischenkletterpausen (für Laien auch Siestas genannt) verleiten.
Jammerschade, denn die auf Bezwinger wartenden Routen gab es wahrlich zu Hauf. Im Dreieck von Cavaillon, Avignon und Arles erheben sich eingebettet in romantische Provencedörfer „Les Alpilles“ wo Archäologen einst den Pinsel von Van Gogh fanden. (Dank an Sacha noch für die Geschichtslektionen auf der Lagerinformation.)
Obwohl es der von den Leitern entworfene Kletterplan nie auf die Leinwand schaffte, präsentierte er sich als Meisterwerk. Valample, ein malerisches kleines Tal mit seinem lichten Nadelwald (genaue Spezifikation der Baumarten überlassen die Autoren den fachkundigen Biologen und angehenden Landschaftsgärtnern) erwies sich dank seinen guten Einsteiger- und nicht Freesolorouten als ideale Wahl für den ersten Tag.
Luftig charakterisiert Aureille wohl am besten. Die hohen Routen und der pfeifende Mistral liessen bei den Meisten die Kletterhosen flattern. Ausnahme bildeten Bilbo und Gollum, die sich auf Höhlenexkursion begaben.
Fontvieille gehörte den Klimmzugakrobaten und Schüsselfetischisten. Die faszinierende Wabenstruktur im Fels verlangte aber neben brachialem Bizepseinsatz auch ein Minimum an Feingefühl. (Ja Herr Polier, du bisch gmeint! Dr Feus hätt nid ono müesse kabutt ga! Im Gägesatz zum Uspuff cha me das itz nümm flicke!)
Der angelehnte Pfeiler liess aber nicht nur Kletterherzen höher schlagen. Der verwöhnte und wählerische Siesta Geniesser findet auf den Schultern des Pfeilers ein Plätzchen, das den höchsten Ansprüchen zu genügen vermag. Tipp aus erster Hand: ein kleines mitgebrachtes Kissen macht den Hochsitz noch feudaler.
Orgon, das grösste Klettergebiet der Gegend hatte genügend Reserve, um die ganze Truppe zwei Tage lang zu fordern. Die in Hufeisenform angeordneten Felsen waren die Schmiede für verschiedene Klettersaga. Für die einen waren sie Feuertaufe beim ersten selbständigen Abseilen, anderen dienten sie als Grundlage für klettertechnische Höhen- und andere Flüge.
Als Basislager für unsere Kletterstreifzüge diente der Camping le Pesquié. Um innere Ruhe und Ausgeglichenheit zu erlangen, spannte Sacha seine Slackline. Den pädagogischen Wert erkannten jedoch nicht alle Zeltplatzbesitzer. Vielmehr sahen sie darin gar einen messerscharfen, todbringenden Hinterhalt für nächtliche Velofahrer! Zum Glück fanden wir eine für alle Parteien befriedigende Lösung!
Und apropos schief hängendem Hausfrieden: Gut dass der obligate „Hütten-Boulder“ im Dachgebälk den Argusaugen des Campingwartes verborgen blieb. Dieser hätte mit grosser Wahrscheinlichkeit einen mittleren Kurzschluss verursacht, der in einem Rausschmiss hätte enden können. Um für diesen Fall vorbereitet zu sein, übte sich ein grosser Teil der Gruppe im Schlafen unter freiem Himmel oder anderem nächtlichen Spezialprogramm.
Ein weiterer Spezialwunsch wurde mit dem Trip ans „Meer“ erfüllt. Tipp: Nicht alles was glänzt ist Gold oder nicht alles das salzig schmeckt ist Meer. Trotzdem war das Bad erfrischend und der Steinhäuschen-Boulder fassettenreich. Das Resultat: Die einen „dreckig, verschwitzt und salzig“, die anderen blutig und mit zerrissenen Kletterhosen.
Mit diesem tollen Gruppenfoto vom Arc de Grimpe und einem dicken merci beaucoup an die Herren Leiter schliessen wir die Berichterstattung.
Und denk daran: Solltest du in Zukunft eine Fliege mit zwei Klappen schlagen, gibst du dich als Mitabenteurer des unvergesslichen Herbstlager 2006 zu erkennen.